Alle Beiträge von cja

2. Tag: Celle – Sarstedt

Heute lief es schon etwas ruhiger als am ersten, chaotischen und schmerzhaften Tag. Nach einem kurzen Frühstück brauchte ich noch Celle Haus Zentrumeine Ewigkeit, meine tausend Sachen zusammen zu packen. Da fehlt einfach noch die Routine und ich habe einfach zu viel dabei. So kam es, dass im Fahrradkeller der Jugendherberge nur noch mein Fahrrad stand. Den Abend zuvor hatte ich für das Rad kaum einen Platz gefunden.

Egal, los geht’s. Als erstes Richtung Celle Zentrum. Nach 1.6 km fiel mir dann auf, dass meine Handschuhe noch auf der Tischtennisplatte im Radkeller der Jugendherberge lagen. Umgedreht, sie geholt und nicht über die Extrakilometer nachgedacht.

Celle ZentrumCelle ist im Kern eine schöne Stadt, vielleicht etwas zu glatt renoviert, aber schön. Das Schloss verbarg sich hinter Renovierungsvorhängen und gab mir so direkt den Weg zum profanen Vorstadtbereich frei – mit all seiner Industrie und seinem Dienstleistungsgewerbe. Danach kamen schöne Straßen und Wege, teils unter großen Bäumen, sehr oft aber auch unter praller Sonne. Und die merkte ich im Laufe des Tages dann auch immer mehr.

Randbereich von HannoverIn Hannover gab es im Schatten eine Currywurst vom Kioskcafé Waldsonne, der sich im Stadtforst Eilenriede-Nord befand. Anschließend ging es deutlich schleppender durch die Stadt, die mir zudem die dritte Vollsperrung einer Straße in den Weg stellte. Neben der Handschuhaktion jedes Mal ungewollte Zusatzkilometer. In der Fußgängerzone machte ich dann noch die Bekanntschaft mit der Polizei, die mich auf meine Fehlinterpretation aufmerksam machte und mich bat, das Fahrrad doch zu schieben. Ich hatte bei Beginn der Zone wirklich nur das „Fahrrad frei“ gelesen und nicht die Einschränkung auf den Abend/Nacht. Einen Brunnen mit Trinkwasser hatte ich auf meinem Weg durch die Stadt nicht entdeckt. Und das knappe Wasser wurde in der Folge langsam zu einem kleinen Problem.

Kein TrinkwasserHinter Hannover quälte ich mich bei 35 Grad über Schotterwege, kleine Pfade und kurze Brücken Richtung Sarstedt, inklusive eines Umweges, weil ich dem falschen Track nachgefahren bin. Aber etwas gepuscht durch einen halben Liter eiskalter Cola, die mich „schlappe“ 3,50 Euro gekostet hatte. Im Wasserschutzgebiet kam es noch zur vierten Wegsperrung.  Aber da, eine Wasserpumpe! Frohen Mutes hin und … Mundwinkel hängen lassen. Im Wasserschutzgebiet mit einem vier Kilometer langem Lehrpfad ein Brunnen, der kein Trinkwasser führt – Klasse.

Kurz vor Sarstedt war mir dann klar, dass ich in dem Ort ein Zimmer suchen wollte, obwohl es erst 16 Uhr war. Ich kroch nur noch mit 10 bis 12 Stundenkilometern voran, war gut durch die stechende Sonne gegart und wollte mir den Stress nicht noch einmal antun, den ich am Vortag wegen der fortgeschrittene Zeit bei der Unterkunftssuche hatte.

Staubige WegeÜbers Internet habe ich am Bahnhof ein günstiges Hotel gefunden. Jedoch steht mein Fahrrad in einer etwas zwielichtigen Gegend im Freien. Mal sehen, ob ich Morgen zum Fußpilger mutieren muss.

Ich war körperlich so fertig, dass ich nur im Zimmer geblieben bin und mich sowie die Wäsche gewaschen habe. Außerdem habe ich an den Packtaschen kleinere Anpassungsarbeiten durchgeführt. Das spärliche Essen, das zwei Instantnudelbecher beinhaltete, wird Morgen hoffentlich zu keinem Problem werden.

Für’s Protokoll: Tageskilometer 77,27; Gesamtkilometer 124,97; Gesamtfahrzeit: 8:17 h.

1. Tag: Hamburg – Celle

Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. Die Uhr zeigt bereits eine Stunde vor Mittag und ich war immer noch nicht auf dem Weg. Hier noch etwas eingepackt, dort noch was für die Abwesenheit geregelt und da noch etwas an Arbeit gefunden. Auch wenn ich es nicht gerne zugebe, da schwang noch etwas mit, etwas was ich so eigentlich nicht erwartet hatte: Unsicherheit. Werde ich den vorgenommenen Weg trotz meiner bescheidenen Fitness fahren können? Hält mein Fahrrad der Belastung stand? Immerhin bin ich kein Leichtgewicht und die Satteltaschen sind zum Bersten voll, genauso wie mein Rucksack. Wird es unvorhergesehene Probleme oder Ereignisse geben? Finde ich immer eine Unterkunft? Solche Fragen und noch weitere gingen mir durch den Kopf. Und das, obwohl ich mich doch so auf das Pilgern gefreut hatte. 

Eschede

Etwas verunsichert stand ich nun um halb eins vor der Haustüre, sattelte umständlich mein Fahrrad und rollte Richtung Hauptbahnhof los. In akuter Zeitnot, den nächsten Zug noch zu erreichen. Der Bahnhof war voller Menschen. Vor den Fahrkartenautomaten standen Schlangen und schließlich am Automat angekommen, verlor ich mich bei der Hektik fast in den umständlichen Menüstrukturen. Anschließend schlängelte ich mich mit dem bepackten Fahrrad durch Gruppen von Reisenden zum Abfahrtplan und hetzte weiter zu dem im Plan angegebenen Gleis. Nun ja, das was nun folgte will ich mal so beschreiben: Durch die fehlende Angabe am Gleis, der mittlerweile großen Zeitnot, defekte Rolltreppen und der teilweise falschen Auskunft eines Bahn-Mitarbeiters habe ich den angepeilten Zug verpasst (die sich in der Ferne verlierenden Rücklichter des Zugs werde ich nicht so schnell vergessen). Außerdem habe ich mir auf einer Treppe beim Tragen des bepackten Fahrrads durch einen Sturz das linke Knie aufgeschlagen und den zweiten, eine Stunde später abfahrenden Zug, fast auch noch verpasst. Auf der Strecke kamen dann weitere Verspätungsminuten hinzu, da es hitzebedingte zu Gleisverschiebungen gekommen war. Aber nach all der Hektik und all den Pannen stand ich dann endlich wieder an dem Ort beziehungsweise der Station, an der ich vor zwei Jahren den zweiten Anlauf meines Jakobswegs abgebrochen hatte. Am schmalen Bahnsteig von Eschede. 

Mahnmal von Echede

Die Uhr zeigte halb vier, als ich mit einem kleinen Schlenker über die Gedenkstelle an das ICE-Unglück losgefahren bin. Im Zug hatte ich nur kurz nach dem aufgeschlagenen linken Knie und der perforierten rechten Wadenunterseite gesehen. Nun spürte ich aber schon auf den ersten Metern, dass das linke Knie beim Pedalieren am oberen Kurbelpunkt unangenehm spannte. Es war also innen geschwollen. In Anbetracht der späten Stunde und meines lädierten Knies, peilte ich die Gegend um das Klosters Wienhausen als erste Übernachtungsoption an. Trotz der Anlaufschwierigkeiten genoß ich die ersten Kilometer auf dem Rad. Die Sonne war warm, aber nicht mehr so stechend und die Landschaft streichelte bereits ein weiches Licht. Die Wege waren verlassen und nur selten kam ich an anderen Menschen vorbei. Langsam begann die mitgebrachte Hektik nachzulassen. 

Auf dem Weg zum Kloster Wienhausen

Dieser Abschnitt der Via Scandinavica führt von Eschede nicht direkt nach Celle, sondern macht einen südlichen Schlenker über das Kloster, um dann wieder nördlich zur Stadt zu führen. Dabei ging es über asphaltierte Straßen, Feldwege und kleine Trampelpfade. Alles momentan keine fahrerischen Herausforderungen für mein Rad und mich.

Bei der Planung im Vorfeld hatte ich bei der Wahl des Rads lange überlegt, welche Art ich für den Jakobsweg kaufen sollte. Zuerst tendierte ich zu einem Crossrad, um mit dem Mix aus Rennrad und einem Hauch von Mountainbike schnell voranzukommen und dennoch eine gewisse Geländegängigkeit zu haben. Ich wollte ja damals noch die ganze Strecke auf dem ausgewiesenen Jakobsweg zurücklegen. Von daher verbot sich schon im Ansatz der Griff nach einem Trekkingrad. Nach zahlreich angesehenen Youtube-Videos über den Weg in Spanien setzte sich jedoch die Erkenntnis durch, dass Pilgern eigentlich auch etwas mit Gelassenheit zu tun hat und vor allem dass die Wege auf einem Crossrad nach einem höheren Maß an technischem Fahrvermögen verlangten, das ich so nicht hatte und auf den langen Strecken wohl auch nicht die ganze Zeit konzentriert aufbieten können würde. Schon alleine durch die zu erwartenden körperliche Erschöpfung. Dazu kam noch die Chance, ein gut ausgestattetes Mountainbike relativ günstig Neu erwerben zu können. Den Kauf des Copperheads 3 habe ich bisher weder auf dem Jakobsweg noch auf meinen Touren rund um Hamburg bereut, zumal ich auf dieser Geometrie komfortabel sitze und somit lange Strecken ohne Beschwerden erradeln kann. 

Am Kloster kam ich um 17 Uhr 30 an und war erfreut, das Klosterbüro noch besetzt vorzufinden. Mit dem Credential in der Hand fragte ich nach einem Stempel und bekam die Antwort, dass das Büro eigentlich schon geschlossen sei und sie mir keine Bestätigung stempeln könnte, da sie von dem gegenüberliegenden Hotel sei. Auch auf meine Frage nach einer Unterkunft konnte sie nicht beantworten. Das war etwas enttäuschend und nach einem freien Bett im Hotel habe ich nicht gefragt. Schon von außen war ersichtlich, dass die Wellness-Unterkunft ein paar Kategorien zu hoch für mich als Pilger war. Also kramte ich die Liste aus meinem Rucksack, die mir ein Teilnehmer des Pilgerforums dankenswerterweise zugeschickt hatte, der die Strecke zu Fuß abgelaufen war. Dort war eine Unterkunft in dem Nachbardorf angegeben, die jedoch nicht auf meine Anrufe reagierte. Da es in der Richtung des Weges lag, fuhr ich einfach weiter. Allerdings wurde ich langsam wieder unruhiger, weshalb ich dann auch den Weg verließ und direkt zu der erfolglos kontaktierten Pilgerunterkunft rollte. Dort fand ich einen Mann beim Reinigen der Dachrinnen vor, der an seine Frau verwies. Diese sei allerdings in einer Meditationsrunde und er wisse nicht, wann diese zu Ende sei. Ich könne so lange ja warten, aber ob es Platz gebe, könne er mir nicht versichern. Nach dieser Aussage stieg meine Nervosität in Anbetracht der Zeit und ich entschloss mich, mein Glück weiter auf dem Weg zu suchen. Ließ aber meine Telefonnummer zurück. Immerhin sollte da noch ein Campingplatz kommen. Doch kein Haus war besetzt, das eine Unterkunft anbot, und kein Campingplatz war zu sehen. Bis ich mich plötzlich in einer Stadt befand. Ich war in Celle! Und bei der dortigen Jugendherberge fand ich noch den Platz zur ersten Übernachtung. Uff. Beim Ausräumen meiner tausend Sachen bekam ich noch einen Anruf. Die nette Frau, deren Mann ich kennenlernen durfte, hätte noch einen Platz gehabt. Tja …